"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Samstag, 12. Juli 2014

Peru Teil 2


Nachdem ich bei Jorge eingezogen war und mir die vorgefundenen Wohnverhältnisse nicht wirklich zusagten (recht weit weg vom Zentrum, sehr klein, dreckiges Bad), habe ich am Montag nach Hostels geschaut. Die waren allerdings auch nicht viel besser und in einem Hostel kommt man nie zum Arbeiten, weil man nie allein ist. Deshalb bin ich dann doch bei Jorge geblieben und habe die positiven Dinge der Wohnung schätzen gelernt, wie z.Bsp. dass den ganzen Tag da die Sonne rein scheint und ich nicht frieren muss beim Duschen (das sollte mir in Bolivien noch in Gedanken bleiben).
Blick aus Jorges Wohnung


Dafür bin ich dann auch jeden Tag 30 Minuten zur Stadt gelaufen und wieder zurück (zurück etwas länger da Berg auf).
Voller Tatendrang habe ich mich dann Dienstag in die Bibliothek von Arequipa begeben. Die ist recht klein. Und voller Schüler. Scheinen wohl gerade Prüfungen anzustehen weil alle strebsam mit dicken Heftern und Büchern dasaßen. Ich war die einzige mit Netbook. Das steht mir übrigens noch treu zur Seite, bei welcher Witterung auch immer :)




Biblioteca Regional Mario Vargas Llosa

In der Bibo..

Im Computerraum, zu dem ich von 4 Tagen nur einmal Zugang gewährt bekam, weil ich nicht über eine Bibo-Karte verfüge, waren diverse Internetseiten gesperrt (Facebook, Filmeseiten, Presseseiten), das hinderte meine Recherche etwas.

Ich hatte ja noch die Erkältung der Busfahrt, sodass ich eine halbe Rolle an Klopapier zum Schnaufen verbrauchte. Beschwert hat sich keiner im Raum. Als geschmackliche Abwechslung hatte ich mir zum Mittagessen eine Art Dönerbrötchen gegönnt (Hühnerfleisch vom Spieß mit Salat, Käse in einem peruanischen Fladen).
Arequipa


Expedition: Canyon!

Ich war noch mit Linda in Kontakt und wir wollten eigentlich am Wochenende den Colca Canyon, den zweit tiefsten der Welt (bis zu 4160 Meter, der tiefste liegt in der Nähe, ist aber kaum erschlossen), erkunden. Da Linda dann aber etwas in Zeitdruck war, hatten wir uns spontan für Mittwoch Morgen verabredet. 11 Uhr am Busterminal und sie wollte die Tickets schon kaufen. Ich war 10 vor 11 da, keine Linda. Es wurde 11, keine Linda. 10 nach 11, 20 nach 11. War ich am falschen Busterminal? Linda hat kein Handy dabei, also konnte ich sie auch nicht kontaktieren. 11.45 Uhr sollte der Bus abfahren, ich setzte mir selbst die Deadline von 11.30 Uhr, dann wollte ich mir ein eigenes Ticket kaufen und ggf. allein losfahren. 11. 24 Uhr kam Linda dann um die Kurve geprescht. Sie hatte im Café ihre Jacke liegen lassen und musste auf halben Wege mit dem Taxi noch einmal umkehren.
Erleichterung.

Die Busfahrt nach Cabanaconde dauerte knappe 6 Stunden und war schon eine Attraktion für sich: wir fuhren am Rande des Canyons vorbei mit Blick auf die Tiefebenen, durch Tunnel, die so in Deutschland nie erlaubt wären (einspurig trotz Gegenverkehrs, kein Licht, abbröckelnde Steine) und haben das Anden Plateau in einer Höhe von 4800 Metern überquert. An der Straßenseite die Rehe Perus: Alpacas überall. Mal hinter Zäunen gezüchtet, mal wild. Wunderschöne Landschaft.
Auf dem Plateau


Lama Lama Lama :)




In Cabanaconde angekommen sind Linda und ich zum Hostel. Ein Couchsurfer aus Arequipa, der gerade in Cabanaconde arbeitet, hatte mich gefragt, ob wir uns nicht treffen wollen. So stand er spontanerweise an der Rezeption hinter uns. Wir verabredeten uns später am Markt, wo ich dann zum ersten Mal Slacklining (auf einem gespannten Band balancieren) probierte. Ganz ohne Hilfe ging´s nicht...Wir sind dann noch mit Michel, der übrigens gut deutsch sprach, und seinem Kumpel Essen gegangen und haben ein paar Drinks eingenommen. Lustigerweise habe ich registriert, dass Lindas und mein Name im Spanischen doch recht interessant sind. Wenn wir uns vorstellten: „Linda and Caro“ bedeutet das übersetzt so viel wie „hübsch und teuer/kostbar“. Tolles Team!
lustige Runde
Linda und mein Plan war, dass wir am nächsten Morgen 6 Uhr frühstücken um 6.30 Uhr mit dem Bus zum Condor-Aussichtspunkt zu fahren. Deshalb bin ich auch schon halb 12 zurück ins Zimmer. Linda wollte noch bleiben, sie hatte den Schlüssel behalten. Kam dann nachts aber nicht ins Hostel, weil die Tür sich nicht öffnen ließ. Da musste die Arme eine Nacht im Nachbarhostel schlafen. Da sie keine Uhr besitzt, wachte sie stündlich auf, um nach der Sonne zu schauen, um nicht den Bus zu verpassen. Und ich hatte mir ein bissl Sorgen gemacht. So kam Linda etwas zerstört am Morgen zum Hostel zurück, als ich bereits frühstückte. Wir hatten den Bus 6.30 Uhr aber noch erwischt, der hoffnungsvoll überladen war. Unter mir eine Frau mit Lämmchen auf dem Schoß sitzend, hinter mir ein älterer Mann, der sich in jeder Kurve hat auf mich gelehnt hat. Links neben mir die leidende Linda und rechts neben mir ein Mann, der mich mit seinem Englisch zugelabert hat.

ABER es hatte sich gelohnt, denn als wir am Viewpoint ankamen, waren kaum andere Touristen da. Allerdings auch keine Vögel. Aber die zeigten sich dann etwas später. Neben den imposiven Condoren haben wir auch den größten Kolibri der Welt gesehen und einen Wüstenfuchs. Drei Stunden später kam ein Bus zurück nach Cabanaconde. Alles gepackt, letzte Einkäufe gemacht und unser Trekking sollte starten.
Condor View Pont















Linda und ich wollten drei Tage und zwei Nächte im Canyon verbringen. Die erste Strecke aus dem Dorf heraus war kein bisschen ausgeschildert, wir mussten unserem Instinkt und den Hinweisen der Bevölkerung folgen. Aus dem Nichts kam ein kleiner struppiger Hund und sollte fortan ein vollwertiges Gruppenmitglied werden. Wir nannten ihn Amigo, Freund, und er hörte sofort auf den Namen.

Amigo <3

Der Weg führte uns knapp vier Stunden bergab. Und dabei meine ich nicht im Spaziergang. Es ging teilweise steil bergab mit losem Geröll. Es war heiß und staubig. An einem Punkt hielten wir an um zu trinken. Da kam ein Einheimischer an uns vorbei und Amigo kläffte ihn an und wollte ihn in die Beine zwicken. Guter Hund :D
los geht´s!

effektiver als Glasscherben ;)


dort oben sind wir gestartet

so sah der Weg aus


Das Bergablaufen war ziemlich anstrengend. Es ging auf die Knie und Oberschenkel. Einen Teil ging es dann mal gerade aus. Und dann wieder bergab, bis wir an heißen Quellen ankamen. Leider zu tief unter der Brücke, um sie zu erreichen. Den letzten Teil der Strecke mussten wir eine Stunde lang bergauf laufen um dann die letzten 20 Minuten noch einmal steil bergab zu gehen. 







Am Ziel angekommen freuten wir uns wie kleine Kinder auf die Thermalbäder. In Llahuar bzw. der Llahuar Lodge gibt es drei Becken mit Wasser aus heißen Quellen (jeweils drei unterschiedliche Temperaturen). Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten sind wir direkt in eins der Becken und haben genossen. Die Aussicht (die Becken liegen im Tal des Canyons mit direktem Blick auf den Fluss), die Entspannung, das Leben. 

man beachte den Bildausschnitt oben links

Als es dunkel wurde, sind wir dann in den heißesten Pool gestiegen, direkt am Fluss. Der war so warm, dass man sich ohne Probleme auch einmal herausbeugen konnte ohne direkt zu erfrieren (merke: Sonne weg=arschkalt).
Die Sterne gaben dem Ganzen ein unvergessliches Ambiente. Allein dieser Moment war die Anstrengungen des Tages Wert!

Zum Abendessen gab es für mich dt. Tüten-Kartoffelbrei, ich hatte mal wieder Probleme mit dem Magen. Linda aß im Restaurant der Herberge. Amigo wartete brav vor unserer Hütte, die ganze Nacht. Am nächsten Morgen freute er sich wie bolle, als wir endlich wieder aus der Hütte kamen.

Tag zwei des Trekkings

Planmäßig sollte es zwei Stunden bergauf gehen, dann eine Stunde gerade aus, dann zwei Stunden 
bergab zur Oase Sangalle. Wir wollten gern das Spiel Deutschland gegen Frankreich sehen, aber wollten auch nicht zu früh loslaufen. Wir sind dann schließlich 7 Uhr aufgebrochen. Es ging 1 1 /2 Stunden bergauf an Kakteenlandschaften vorbei, mit dem Blick auf den am Tag zuvor zurückgelegten Weg und dem guten Gefühl, im Schatten laufen zu können. Wir hatten die Abkürzung nicht gefunden, so liefen wir die ganze Zeit auf der breiten „Straße“, die hauptsächlich (wenn überhaupt) von Baufahrzeugen genutzt wird. Wir hatten in einem Dorf einen weißen Pickup entdeckt und wünschten uns, dass er unseren Weg kreuzen würde.
Oase Sangalle

Oase II

Und was das Wünschen nicht alles ausrichten kann: siehe da, der weiße Pickup raste zu uns und hielt auf unser Daumen-Hoch-Zeichen an. Einziges Problem: Amigo. Der ist wohl noch nie in seinem Dorfhundeleben Auto gefahren. Ins Auto sollte er nicht, also musste ich ihn schnappen und auf die Ladefläche hieven (ihn herauszubekommen später war noch komplizierter). Aber der kleine hat alles gut überstanden, obwohl der Fahrer recht rasant um die Kurven preschte. Ca. 15 Minuten sind wir mit ihm gefahren, er war unser Engel. Durch ihn hatten wir nicht nur eine Abkürzung zur Oase gefunden (die aber super steil und gefährlich war), wir hatten es zudem pünktlich zum Anpfiff geschafft. Der Weg bergab strapazierte meine Knie, die anfingen zittrig zu werden. Linda hatte da weniger Probleme. Wir machten einen kurzen Stopp um frische Kaktusfrüchte zu essen (mirkokleine Stacheln in den Händen inklusive).









Die Oase war recht schön, fast jede Unterkunft hatte ihren eigenen Pool. Aber Linda und ich bevorzugten es, noch am Abend den Bus zu nehmen um zurück nach Arequipa zu fahren. Ich konnte so weiter an meiner Hausarbeit arbeiten und Linda schneller nach Bolivien kommen.
Nach dem Spiel begannen wir unseren Aufstieg. Der war steiler als der Abstieg am Vortag aber mein Körper und ich waren froh über die Abwechslung der Muskelanspannung. Bergauf war ich etwas fitter als Linda. Die wollte am liebsten mit dem Esel hochreiten. Das Laufen sollte vier Stunden dauern, das Eselreiten 2 und 40 Soles kosten (etwas mehr als 10 Euro). Allerdings kam die Eseltruppe uns nicht noch einmal entgegen, sodass wir den ganzen Weg hochgelaufen sind.
Und das war echt hart! Zumal wir an diesem Tag bereits drei Stunden bergauf- und bergab liefen. Amigo legte sich in jeder Kurve in den Schatten und wartete auf uns.
hier mussten wir hoch

Verräter!
Sind wir endlich da?

Die Zeit zog sich endlos hin, wir liefen aber auch im Schneckentempo. Man muss ja auch bedenken, dass wir von der Oase knapp 1200 Höhenmeter überwinden mussten. Als wir dann endlich oben ankamen, erwartete uns der Sonnenuntergang und kalte Temperaturen. Da ich geschwitzt hatte, wurde mir sofort super kalt und ich musste erst einmal die Klamotten wechseln (zum Glück war um die Uhrzeit aufm Feldweg nichts los :D ).




Wir gingen Tickets für den Nachtbus um Mitternacht kaufen, zurück ins Hostel, duschen und packen. Dann Abendbrotessen bei einem lokalen Restaurant. Suppe, Tee und Hauptspeise (Alpacasteak mit Reis und Salat) für keinen 1,50 Euro. Dafür muss man dann auch mit Teilen von Hühnerfüßen in der Suppe leben, sogar noch mit Kralle dran (ich musste meinen Würgereiz unterdrücken). Den Hund im Restaurant hatte es gefreut. Amigo war übrigens nachdem wir ins Hostel gegangen waren, verschwunden. Aber das war auch gut so, so fiel der Abschied nicht so schwer.

Halb zehn konnten wir bereits in den Bus und schlafen (wir waren sooo fertig! Alles hat weh getan, keine Bewegung zu viel sollte es mehr sein, wir waren an diesem Tag mehr als 7 Stunden getrekkt). Im Bus die Überraschung: zwei große Fenster existierten nicht mehr. Dafür war an dieser Stelle Klarsichtklebeband gespannt. Wir befürchteten eine verdammt kalte Nachtfahrt, aber das Band hat super gut isoliert, wir mussten nicht frieren.

Zurück in Arequipa

Arequipa

göttlicher Beistand ;)
Wir kamen am nächsten Morgen kurz vor sieben in Arequipa an. Linda sprang gleich in den nächsten Bus Richtung Bolivien, ich fuhr mit dem Bus zu meinem Gastgeber (den ich zuvor durch einen Anruf wachmachte). Geduscht, gefrühstückt und zurück in die Bibo. Erstaunlicherweise habe ich trotz der wenigen Nachtruhe recht viel zustande gebracht.


Sonntag hatte die Bibo nur bis 13 Uhr auf. Danach bin ich zu Jorges Restaurant gegangen und wurde zum Mittag eingeladen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit der Planung für Bolivien.
Montag schließlich beendete ich dann den Großteil meiner Hausarbeit und fuhr mit dem Nachtbus nach Puno zum Titicaca-See, um dort im Früh den nächsten Bus nach Copacabana, auch am Titicaca-See aber auf bolivianische Seite, zu nehmen.

Jetzt bin ich also in Bolivien. Und dass ich nur noch ein paar Feinheiten an meiner Hausarbeit machen muss, beruhigt mich ungemein. Ich kann also frei die nächsten 2 ½ Monate reisen.

An dieser Stelle möchte ich noch meiner lieben Madlén und ihrem Jens zur Hochzeit gratulieren, sowie meinem lieben Dirk zum 30. Geburtstag. Diese Feste verpasse ich gerade. Und wenn sich das jetzt auch komisch anhört, aber es fühlt sich richtig an. Ich habe neue Energie für´s Reisen und genieße die letzten Züge meiner Weltexkursion. Natürlich vergesse ich meine Lieben daheim nie. Und ich hoffe, dass die kleinen Aufmerksamkeiten euch erfreuen werden. Alles Liebe und eine fette Umarmung nach Hause!

Ich bin bei euch!

Eure reisesüchtige Caro


Was ich NICHT an Peru vermissen werde:

-Abgase überall
-das Verhalten der Peruaner auf dem Gehweg (sie denken, der würde ihnen gehören und lassen mich lieber auf der Straße laufen, als mir Platz zu machen)
-das Angehupe der Taxifahrer, die so hoffen, dass man noch mehr auf sie aufmerksam wird
-Meerschweinchenfleisch
-kalte Nächte

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